Was bringt Wettbewerbsvorteile? Es gibt viele Möglichkeiten für Unternehmen, sich von anderen zu unterscheiden. Qualität, Preis, Markenattraktivität und viele andere Faktoren führen zu Unterscheidbarkeit und potenziellem Erfolg.

Was aber, wenn ein Unternehmen den Schwerpunkt setzt, genau zu wissen, was Verbraucher möchten? Ein Unternehmen, das in der Lage ist, unbefriedigte Bedürfnisse zu bedienen, schöpft das wahre Potenzial seiner Existenz aus. Für diese strategische Notwendigkeit müssen die Unternehmen auf einem hohen Niveau an Komplexität agieren. In der Vergangenheit war eine repräsentative Umfrage die einzige Möglichkeit, Daten zu diesem Zweck zu erheben. Leider sind diese Erhebungen extrem zeit- und personalaufwendig, was sich auch im Preis der Dienstleistungen anderer Unternehmen widerspiegelt: Fünfstellige Beträge für etwas, das vielleicht nicht das gewünschte Ergebnis liefert. Infolgedessen führt die Unsicherheit dazu, dass Unternehmen immer seltener auf einem verbraucher-orientierten Dienstleistungs- oder Produktportfolio basieren.

Der akademische Pionier Robert Kozinets, ein Marketingwissenschaftler mit anthropologischem und konsum-kulturellem Hintergrund, hat Ende der 1990er Jahre eine Methode eingeführt und seitdem angepasst und verfeinert, die sich aktuell in der Strategieberatung und Marktforschung etabliert: Netnography.

Netnography, ein Kofferwort aus interNET und ethNOGRAPHY, ist eine qualitative Forschungsmethodik, die im Allgemeinen darauf abzielt, kulturelle Zusammenhänge zu verstehen. Dabei werden Daten auf digitalen Kommunikationsplattformen erhoben, um natürlich vorkommende öffentliche Konversationen zu verfolgen. Die Netnographie besteht aus einer systematischen Reihe von Forschungspraktiken, die investigative, immersive und interaktive Operationen auf der Grundlage teilnehmender und/oder nicht teilnehmender Beobachtung von Online-Kontexten kombinieren. Diese Methode ermöglicht die qualitative Analyse und Interpretation von explizit verbalisierten und implizit geäußerten Bedürfnissen, Wünschen, Erfahrungen, Feedback, Einstellungen sowie von Ritualen, Werten und Bedeutungen, die Verbraucher mit Produkten, Dienstleistungen oder Marken verbinden.

Bei der Durchführung werden die Daten analysiert, verarbeitet und auf die definierte(n) Fragestellung(en) umgelenkt. Das angestrebte Ergebnis kann Produkt- oder Dienstleistungsportfolios revolutionieren (siehe Bilgram, V., Bartl, M., & Biel, S. (2011)), weil diese mit den Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher übereinstimmen, was zu einer einflussreichen Positionierung auf dem Markt führt.

Warum ist die Methode so effektiv?

– Menschen teilen öffentlich tiefe Einblicke in ihre ganz persönlichen Meinungen und Wünsche auf sozialen Medien.

– Forschung von zu Hause aus ist möglich

– Laufende technologische Innovationen tragen zur Präzision der Forschung bei

– Sie ist weniger (körperlich) aufwendig, als klassische Feldbeobachtungen

– Sie ermöglicht ein tiefes Verständnis der Verbrauchergewohnheiten, des Geschmacks, des Lebensstils und der Bedeutungsbildung

Um wertvolle Ergebnisse zu erhalten, müssen die Forscher eine klare Strategie haben und die Ziele des Projekts im Voraus festlegen. Die Netnographie kann dazu führen, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht!

Warum ist die Methode so anspruchsvoll?

– Während der Durchführung kann es zu irreführenden Schlüsselwortplatzierungen kommen

– Die Vorbereitung und Definition von Plattformen, Gemeinschaften oder Profilen erfordert besondere Fähigkeiten

– Die Interpretationsfähigkeiten müssen auf einem hohen Niveau sein

– Große Datenmengen können die allgemeine Richtung und den Überblick über das Projekt beeinflussen

Wenn die Methode richtig angewandt wird, liefert sie wertvollste Ergebnisse für Unternehmen. Aber wie wird ein netnographisches Forschungsprojekt durchgeführt?

  1. Vorbereitung

1.1 Forschungsdefinition(en): „Was möchte ich herausfinden?“

1.2 Auswahl von Keywords und Bereichen: nur solche, die helfen, etwas über die zuvor definierte Forschungsfrage herauszufinden.

1.3 Bildung von Schlüsselblöcken und Auswahl von Kategorien, um die Daten in verschiedene Forschungscluster zu kategorisieren (falls erforderlich)

  1. Auswahl von Plattformen und relevanten Verbrauchergemeinschaften oder Social-Media-Profilen auf (Instagram, LinkedIn, Facebook, Amazon, TikTok, Reddit, Twitch, Online-Foren, etc.)
  2. Phase der Datenerhebung

3.1 Tiefes Eintauchen in die Community

3.2 Untersuchung (Scouting, Auswahl, Scraping und Extraktion relevanter Daten)

3.3. Eintauchen (Führen eines Tagebuchs mit Forschungsnotizen und Überlegungen des Forschungsteams)

  1. Interaktion (wenn nötig, direkte Teilnahme an Gesprächen, Befragung)
  2. Datenanalyse und -auswertung

(6. Forschungsethik: Anonymität und Vertraulichkeit)

  1. Erlangung eines validen Verständnisses des Netzwerks oder des Themas von Interesse, um eine gültige und gewinnbringende Interpretation und Ergebnisse zu erhalten
  2. Empfehlungen im Einklang mit den gewonnenen Erkenntnissen der Verbraucher ableiten

Die netnographische Arbeit kann auch dazu verwendet werden, Infrastrukturen, Netzwerke und Beziehungen, Gruppen und das Online-Verhalten aller relevanten Teilnehmer zu verstehen und uns potenziell über viele Elemente ihrer gesamten Lebenswelt zu informieren.

Da die Methodik aus der aktuellen akademischen Forschung abgeleitet ist, müssen die Qualitätskriterien qualitativer Forschung eingehalten werden. In den nächsten Monaten werden wir eine Fallstudie durchführen, die Ihnen exklusive Einblicke in unsere netnografische Arbeit gewährt.

Möchten Sie spezifische Informationen über Märkte und/oder Zielgruppen erfahren? Nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Wir besprechen mit Ihnen strategische Ziele, Herausforderungen und Informationsbedarf für jede Art von Projekt.

 

Sources:

www.kozinets.net

Kozinets, R. V. (2002). The field behind the screen: Using netnography for marketing research in online communities. Journal of Marketing Research, 39(1), 61-72.
Kozinets, R. V. (2010). Netnography: The marketer’s secret weapon. White paper, 1-13.
Kozinets, R. V. (2020). Netnography: The essential guide to qualitative social media research. Sage Publications: London.
Bilgram, V., Bartl, M., & Biel, S. (2011). Getting closer to the consumer–how Nivea co-creates new products. Marketing Review St. Gallen, 28(1), 34-40.